Wie Hagel entsteht und Sie sich schützen

Bei Extremwetterereignissen wie Gewitter gibt es eine spezielle Form von Niederschlag: Der Hagel. Dabei donnern Hagelkörner zu Boden und können grosse Schäden verursachen. Doch wie entstehen eigentlich diese Hagelkörner? Und wie kann man sich, Gebäude und persönliche Gegenstände davor schützen?

Hagelkörner auf dem Rasen

Hagelstürme bei Gewitter

Innerhalb eines Jahres sind mehrmals Hagelstürme zu beobachten. Hagel tritt am häufigsten in den Sommermonaten auf während heftigen Gewittern. Manchmal fallen nur sehr kleine Hagelkörner, manchmal sind es riesige Eiskugeln mit zerstörerischer Wirkung. Häuser, Gewächshäuser, Garten oder Autos können dabei stark beschädigt werden. Aber auch für Menschen, Pflanzen und Tiere besteht Gefahr.

Entstehung von Hagel

Hagel entsteht in hohen Gewitterwolken, bei raschem Aufstieg von warmer, wasserreicher Luft. Je höher sich die Luft in unserer Atmosphäre befindet, desto kälter wird sie. Als Faustregel kann man sich merken, dass die Temperatur alle 100 Höhenmeter um 1°C sinkt.

Voraussetzung für die Entstehung von Gewitter ist, dass warme Luftmassen mit ausreichend hoher Feuchtigkeit in grosser Höhe transportiert werden. Insbesondere Wärmegewitter können sehr lokal entstehen, sind durch die rasche Entstehung für Meteorologen schwierig vorauszusagen und bringen häufig auch Starkniederschlag mit sich.

Der Wasserdampf kondensiert beim Aufstieg: Er geht vom gasförmigen in den flüssigen Zustand zurück. Dabei lagert sich das Wasser an winzigen Staubpartikeln, die überall in der Luft schweben, ab, und erzeugt sogenannte „Kondensationskeime“. Diese beschleunigen die Kondensation und unzählige kleine, sehr feine Tröpfchen entstehen: Eine Wolke hat sich gebildet.

In sehr grossen Höhen (ca. 10'000m) können sehr niedrige Temperaturen herrschen. Hier können statt Tröpfchen auch Eiskristalle entstehen. Aufgrund ihres Gewichtes und der Schwerkraft, fallen diese Kristalle nach unten und sammeln dabei weitere, feine Wassertropfen. Grosse Unterschiede in der Temperaturschichtung innerhalb einer Gewitterzelle erzeugen starke Aufwinde von 20 und 30 Meter pro Sekunde. Diese Strömung wirbelt die Hagelkörner wieder nach oben, wo das angelagerte Wasser ebenfalls gefriert. Dieser Prozess kann sich mehrere Male wiederholen und lässt die Eiskugeln zu beachtlicher Grösse anwachsen - so lange, bis sie zu schwer sind, um von den Aufwinden getragen zu werden. Die Hagelkörner fall nun auf die Erde und in der kurzen Zeit in der sie fallen können sie nicht schmelzen - es hagelt!

Grösse: Hagelkörner unter 5 Millimeter nennt man Graupel

Meteorologen bezeichnen diese Körnchen als Hagel, wenn sie einen Durchmesser von mindestens fünf Millimeter erreichen. Kleinere Eiskörner bezeichnet man als Graupel: Im Vergleich zu Hagel verklumpen bei Graupel weichere Schneekristalle durch angefrorene Wassertröpfchen zu Kügelchen.

Wie gross ein Hagelkorn maximal werden kann, ist nicht bekannt. Das grösste Hagelkorn in Nordamerika wurde im Jahr 2003 in Nebraska gefunden: Mit einem Umfang von 47,6 cm wog es knapp 758 Gramm. Das Hagelunwetter von 1984 in Deutschland brachte Hagel mit bis zu 9,5 cm Durchmesser. Nach Angaben des Informationszentrums in Strassburg fielen 1958 bis zu 970 Gramm schwere Eiskugeln.

Schadenrisiko bei Hagel

Der Hagelwiderstand ist ein Mass dafür, wie gut ein Bauteil gegen Hagelschäden geschützt ist. Er wird auf einer Skala von 1 bis 5 angegeben. Ein höherer Wert bedeutet einen besseren Schutz. HW 2 steht beispielsweise für einen Hageldurchmesser von maximal 2 cm, insofern HW 5 für 5 cm steht. In der Regel bieten Bauteilie mit einem Hagelwiderstand von HW 3 oder höher einen guten Schutz vor Hagel.
Hagelwiderstand Durchmesser [cm] Masse [g] Geschwindigkeit [m/s] Schadenrisiko
HW 1 1 0.5 13.8 sehr klein
HW 2 2 3.6 19.5 klein
HW 3 3 12.3 23.9 mittel
HW 4 4 29.2 27.5 hoch
HW 5 5 56.9 30.8 sehr hoch
Quelle: Ventilator 6, Schweizerischer Fachverband für hinterlüftete Fassaden (www.sfhf.ch)
Hagelkörner im Grössenvergleich mit Erbsen, Kirschen, Walnüssen, Tischtennisbällen und Hühnereiern.
Das Schadenrisiko bei einem Hagelkorn in der Grösse einer Erbse ist sehr klein, wobei Hagelkörner in den Grössen von Walnüssen, Tischtennisbällen und Hühnereiern mittlere bis erhebliche Schäden verursachen können.

Schutzmassnahmen bei Hagel

Beugen Sie mögliche Schäden vor und treffen Sie vor einem allfälligen Hagelsturm verschiedene Massnahmen, um sich vor den zerstörerischen Hagelkörnern optimal zu schützen.

  • Bei Bau und Reparaturen an einem Gebäude, verwenden Sie am besten hagelgeprüftes Material und Bauteile.
  • Vor Gewitteranfang sollte man die Sonnen- und Lammellenstoren einziehen, damit diese vom Hagel nicht beschädigt werden. Bereits kleinere Hagelkörner ab 3mm können zu Schäden an den Storen führen. Die Fensterscheiben sind genügend bruchsicher, dass sie vor Hagel geschützt werden müssten.
  • Um Schäden an Fahrzeugen zu minimieren, sollten diese an einen sicheren Ort gestellt werden: Wenn möglich stellen Sie Ihr Auto unter einen Unterstand oder in eine Garage.
  • Pflanzen haben durch ihre biegsame und widerstandsfähige Form grundsätzlich eine natürliche Abwehr gegen Hagel. Dennoch kann man Hagelschäden vermeiden, indem man die Pflanzen in Schlitz- oder Lochfolien, resp. mit Vliesen abdeckt.
  • Informieren Sie sich in unserer Unwetterkarte über Gewitter & Hagel Warnungen und lassen Sie sich mit der kostenlosen Wetter-Alarm App per Push-Benachrichtigung vor bevorstehenden Gewittern und Hagel in Ihrer Region warnen.

Interview mit der Meteorologin Dörte Aller

Wetter-Alarm ist ein Präventionsinstrument der Vereinigung kantonaler Gebäudeversicherungen. Die Sponsorin "Gebäudeversicherung Bern" hat ein Interview zum Thema Hagel mit der Meteorologin Dörte Aller durchgeführt.

Hauseigentümerinnen und -eigentümer sollten gut abwägen, wie sie sich ausreichend gegen Hagel schützen können, sagt die Meteorologin Dörte Aller. Sie ist selbstständige Beraterin für Naturgefahrenrisiken, Verantwortliche für Klima und Naturgefahren des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) sowie Präsidentin der Nationalen Plattform Naturgefahren (PLANAT).

Gibt es heute mehr Hagel als früher?

Den Eindruck kann man haben. Möglicherweise wird Hagel heute aber nur stärker wahrgenommen, weil wir mehr Schäden haben. Ob es generell mehr Hagel gibt, wissen wir erst, wenn wir mehr Daten ausgewertet haben. Das gilt auch für die Grösse der Hagelkörner. Faustgrosse Brocken gab es schon immer, aber man findet sie nur durch Zufall. Heute helfen uns Wetterradar und Hagelmeldungen dabei, die Hagelkorngrössen gut abzuschätzen.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf den Hagel aus?

Auch das können wir noch nicht verlässlich beurteilen. Grundsätzlich nimmt eine wärmere Atmosphäre mehr Feuchtigkeit auf. Das begünstigt die Gewitterbildung und damit das Entstehen von Hagel.

Wie sieht die Entwicklung bei den Schäden aus?

Da stellen wir eine Zunahme fest. Das hängt damit zusammen, wie wir heute bauen. Moderne Materialien sind oft heikler als jene, die früher verwendet wurden – etwa Lamellenstoren oder Kunststoffe, deren Widerstandsfähigkeit mit der Zeit nachlässt. Oder Fassadenisolationen. Entsprechend höher ist das Schadenpotenzial.

Im Internet kann ich mich darüber informieren, mit wie grossen Hagelkörnern ich bei meinem Haus rechnen muss. Wie soll man diese Information interpretieren?

Zwei Dinge muss man wissen: Wenn an meinem Standort statistisch gesehen einmal in 50 Jahren 5 Zentimeter grosse Körner zu erwarten sind, dann gibt es dort vielleicht alle 10 oder 20 Jahre Hagelkörner von 3 Zentimetern. Auch die können grossen Schaden anrichten. Zudem sind Statistiken trügerisch: Ein 50-Jahre-Ereignis kann schon morgen eintreten. Wir sollten Baumaterialien wählen, die ihre vorgesehene Lebensdauer erreichen und nicht frühzeitig wegen Hagelschaden ersetzt werden müssen. Das ist auch eine Frage der Nachhaltigkeit und des vernünftigen Umgangs mit Materialien und Ressourcen.

Wie entscheide ich, wie stark der Hagelwiderstand bei meinem Haus sein soll?

Man muss Gefährdung und Risiko unterscheiden. Die Hagelgefährdung kann man auf Karten abbilden. Sie beschreibt den Zeitraum, in dem mit Hagelkörnern einer gewissen Grösse zu rechnen ist. Mein Risiko ist abhängig vom Schaden, den dieser Hagel an meinem Haus anrichten kann. Ich sollte mich fragen: Was bewirkt Hagel mit 2 oder 4 Zentimeter grossen Körnern? Welche Schäden wären noch akzeptierbar und welche nicht? Wenn ich das weiss, kann ich entsprechende Schutzmassnahmen ergreifen.

Für normale Wohn- und Gewerbebauten werden oft Baumaterialien empfohlen, die 3-Zentimeter-Hagelkörnern standhalten. Doch was nützt mir das, wenn die Körner grösser sind?

Gegen Hagelkörner von 8 oder 9 Zentimetern, wie sie 2021 im Kanton Luzern auftraten, gibt es keinen wirksamen Schutz. Da wird es lebensgefährlich und man sollte nicht mehr nach draussen gehen. Solche Hagelkörner sind aber sehr selten. Mit Materialien der Hagelwiderstandsklasse HW 3 oder HW 4 ist ein Haus in den meisten Fällen gut geschützt.

Wer haftet bei einem Hagelschaden, wenn mein Haus ungenügend geschützt ist?

Die SIA-Normen 261 und 261/1 definieren unter anderem die Anforderungen an den Gebäudeschutz vor Hagel. Es sind Empfehlungen, die aber bei Rechtsstreitigkeiten von den Gerichten beigezogen werden können. Es liegt grundsätzlich an der Bauherrschaft, die Einhaltung der Normen bei den Architektinnen, bei den Architekten einzufordern.

Quelle: GVB Info | Kundeninformation der GVB Gruppe Nr.1 | April 2023

Weitere Informationen rund ums Thema Hagel:

  • Artikel von:
  • Wetter-Alarm
  • Bildmaterial:
  • pixabay.com

Häufige Fragen